Ohne Wind – dafür mit extra Proteinen

von Lars Wiesner

 

Am Wochenende vom 10. bis 12. Juni war der Wettergott nicht so friedlich eingestellt. Oder um es anders zu sagen, er war zu friedlich. Aber der Reihe nach.

Am Freitag machten wir uns auf gen Flevo Marina in Lelystad, ein ruhiger Hafen, etwas abgelegen vom hektischen Tempo. Die Dialog lag vor dem Kran, sodass wir mit dem Auto fast bis an die Reling fahren konnten und unser für drei Tage Segeln doch erstaunlich großes Reisegepäck verstauen konnten. Es bleibt nicht aus zu erwähnen, dass die Hälfte dieses Gepäcks aus Nahrungsmitteln bestand. Leider mussten wir bei unserer Ankunft feststellen, dass die versprochenen Arbeiten am Schiff noch nicht fertig waren, sodass wir erst einmal Unterhandlungen mit der Werft führten. Diese versicherte uns, dass die Arbeiten lange fertig gewesen wären, wenn wir nicht so früh da gewesen wären. Natürlich. Man versprach uns also, dass das Schiff am folgenden Montag fertig sei.

Später am Abend waren dann endlich alle an Bord, wir machten Essen und haben einen milden, sonnigen Abend genossen. Am nächsten Tag bahnte sich eine seglerische Katastrophe an. Kein Wind. Gefühlt noch weniger als kein Wind. Das Wasser spiegelglatt, die Sonne brennend heiß und mittendrin ein kleines Segelschiff namens Dialog. Eine Meile bis zur Schleuse unter Segeln zu bewältigen dauerte gefühlt also knapp vier Stunden. Im Endeffekt war es eine, was allerdings immer noch nicht besonders schnell ist. Aber gut. Nachdem wir einen Schleusengang knapp verpasst, dem Gegenverkehr ausweichen und später endlich zusammen mit einem großen Dampfer einen (fast) privaten Schleusengang machen durften richteten wir unseren Kurs auf Horn. Zunächst unter Segeln, bis wir festgestellt haben, dass wir die Batavia zwei Stunden später noch immer sehen konnten. Unterdessen hatten wir Besuch bekommen. Hunderte IJsselmeerfliegen hatten unser Schiff als den Ort ausgesucht an dem es sich gut lebt. Das Problem an der Sache war, dass Fliegen scheinbar den Unterschied zwischen Mensch und Schiff nicht auszumachen verstehen. Haare, Augen, Nasen, Ohren und Münder schienen ausgerechnet die Orte zu sein, die für diese fliegenden Proteine am attraktivsten zu sein schienen. Eine Kombination aus Hitze, Flaute und Fliegen war genau das, was man sich während eines solchen Wochenendes wünscht. Es blieb uns also nichts übrig als es zu akzeptieren und uns Aktivitäten zu widmen, die wenig Kommunikation und das Schließen der Augen förderten: Schlafen. Bis Horn waren es noch ein paar Stunden.

 Endlich dort angekommen legten wir uns an einen Motordampfer mit einem älteren Pärchen aus Deutschland. Im restlichen Hafen lag man im Päckchen aus drei oder mehr Schiffen. So genossen wir den Vorteil lediglich einen gräumigen Dampfer überqueren zu müssen, und konnten am Abend sogar die Liveübertragung der EM mitverfolgen. Ein ruhiger Abend, sogar ohne Fliegen stand uns bevor, und wir hatten vor diesen ausgiebig zu genießen. Ein bisschen durch Hoorn zu streunen lohnt sich tatsächlich. Kleine Gassen und alte Gebäude lassen den Charme der alten Handelszeiten wieder aufleben. Ausgestorbene Gassen laden zum Erkunden ein, und gut besetzte Restaurants heben die Neugierde, nach dem Inhalt der Karte.

 Am nächsten Morgen sah das Wetter nicht besser aus. Im Gegenteil: Der Himmel zog sich zu, und Wind war immer noch eher die Ausnahme. Man konnte es bereits als ausgewachsenen Sturm bezeichnen, wenn die ganz kleinen Brotkrümel auf dem Teller Anstalten machten, sich zu bewegen. So ging es also unter Motor zurück Richtung Lelystad. Vier Stunden pures geradeaus Fahren. Und das ist nicht einmal übertrieben. Nachdem wir den Hafen von Horn verlassen hatten, wurde das Steuer gefühlt ungefähr zehn Mal angefasst. Inklusive der Male, die man sich am Steuer abstützte, um nach vorne zu langen und sich ein Stück Kuchen zu nehmen. Vier Stunden Motordröhnen und Fliegenklatschen später war die Batavia erneut in Sicht und wir konnten noch mit in die bereits geöffnete Schleuse huschen. Wiederum eine halbe Stunde später lag die Dialog erneut vor dem Kran in Flevo Marina, als wäre nichts gewesen. Dunkle Wolken kündigten den ersten Regen an, welcher dann auch nicht mehr lange auf sich warten ließ. Es stellte sich heraus, dass wir keinen Moment zu spät in Lelystad angekommen waren, ergossen sich später wahre Sturzbäche aus Wasser über das Land. Poseidon wollte uns doch noch wissen lassen, dass wir es schlimmer hätten treffen können.